Asbestbelastung
Die America war zum Zeitpunkt ihrer Konstruktion das sicherste Passagierschiff der Welt. Gerade auch im Brandschutz entsprachen viele ihrer Vorkehrungen einer Sicherheitsstufe, welche sich in vielen Bereichen immer noch mit modernen Standards messen lassen kann.
Diese hohen Standards sind in vielerlei Hinsicht ihrem nach Perfektion und absoluter Sicherheit strebenden Konstrukteur William Francis Gibbs, aber auch den schon in den 30ern sehr fortschrittlichen nationalen Regularien des American Bureau of Shipping der USA zu verdanken.
Man kann sagen, dass die America das erste größere Passagierschiff der Welt war, das modernen Brandschutzbestimmungen genügte und das mehrere Jahrzehnte bevor diese überhaupt unumgehbar verbindlich in internationalen Regularien festgehalten wurden.
Technisch gesehen war die America das erste sogenannte "Method 1" (Methode 1) Schiff der Welt. Diese heute noch gebräuchliche Bauweise setzte auf passiven Brandschutz durch das Fehlen von brennbaren Materialien in statischer Konstruktion, Isolation, Wand-, Decken- und Bodenverkleidung.
Zur Erreichung dieses damals außergewöhnlichen Brandschutzes wurde auf der America ein feuerresistenter Verbundstoff namens "Marinite" eingesetzt. Dieses Marinite verdankte seine feuerfestigkeit vor allem einem heute geächteten Mineral: Asbest.
Marinite wurde in Plattenform für fast alle Wandverkleidungen und Deckenelemente großflächig auf dem ganzen Schiff benutzt, teils beschichtet mit einem hauchdünnen Holzfurnier o.ä., um Materialien wie entflammbares Sperrholz zu ersetzen. Obwohl das Asbest in den Mariniteplatten relativ gebunden war, bestand bei mechanischer Beanspruchung dieser Platten die Gefahr einer Freisetzung von Asbestfasern in die Luft, da die Platten unter Beanspruchung porös werden konnten.
Weiterer Asbesteinsatz auf dem Schiff fand sich an dafür typischen Stellen wie Bodenbelägen oder Schall- und Wärmeisolierungen. Die Gesundheitsgefahr dieser Platten und Isolierungen auf Ozeanlinern lag weniger bei der Gefährdung der Passagiere, als vielmehr bei an Umbaumaßnahmen beteiligten Werftarbeitern, welche die Platten motierten, zersägten oder entfernten und so einer hohen Konzentration der Asbestfasern in der Luft ausgesetzt wurden. (Aktuell ist dieses Thema auch beim Abwracken von belasteten Schiffen in dritte Welt Ländern, wo Arbeiter immer noch ungeschützt diesen Gefahrstoffen ausgesetzt sind, was teils sogar, wie im Fall der Platinum-II (ex S.S. Independence) oder der Blue Lady (ex S.S. Norway bzw. S.S. France), zum Politikum wurde.)